Rede zur Feierstunde zum 150. Pfingstkongresses 2018
Liebe Coburgerinnen und Coburger,
meine sehr verehrten Damen,
sehr geehrte Herren Verbandsbrüder,
liebe Bundesbrüder,
vor etwa drei Jahrzehnten – die Älteren unter uns werden sich erinnern, für die Aktiven ist es neu – hieß diese Feierstunde noch „Mahnstunde“ und erinnerte an die Teilung Deutschlands und forderte auf, nicht nachzulassen im Bemühen, diese unmenschliche Spaltung zu beseitigen und unser Land wieder zu vereinigen. Wie wir alle wissen, gelang dies zwei Jahre später durch eine unblutige Revolution; ein Ereignis, an das wir Mitglieder von Korporationen immer geglaubt haben und deswegen aus bestimmten politischen Gruppierungen immer als die „Ewig Gestrigen“ verunglimpft wurden. Wir haben also Recht gehabt und dürfen dafür auch richtigerweise ein wenig stolz darauf sein.
Es bleibt ein Verdienst der damaligen Präsidierenden – Alte Landsmannschaft Rhenania Münster – vor zwei Jahren, angeregt zu haben, diese Feierstunde erneut zu einer Mahnstunde, und zwar zur „gesellschaftlichen Einheit“ zu erklären. Mit Recht, denn die derzeitige Entwicklung unserer Gesellschaft zur stetigen Internationalisierung zwingt dazu. Darüber hinaus hat vor einem Dutzend Jahren an dieser Stelle mein Tyroler Bundesbruder Michael Trilety unter Verwendung eines Zitats aus der „Rheinischen Post“ mit Sorge darauf hingewiesen, dass in den beiden ehemaligen Teilen unseres Landes das Verständnis untereinander noch sehr zu wünschen übrig ließ; dies hat sich zwar inzwischen verbessert, bedarf aber noch der weiteren Gestaltung.
Betrachten wir hierzu das globale Umfeld, die Verhältnisse in vielen Ländern dieser Welt, in denen regelrechte absolutistische. Machthaber eines der wichtigsten Grundrechte der Menschheit immer stärker beschneiden, nämlich die Freiheit des Individuums und dabei immer mehr Menschen um dieses Recht bringen, und dabei unter Bruch des Völkerrechts Kriege führen und Annektionen vornehmen.
Wenn wir den Wahlspruch unseres Coburger Conventes betrachten – Ehre, Freiheit, Freundschaft, Vaterland – so können wir eine Art von Gewichtung vornehmen: Ehre – also die anständige Lebensführung und die Achtung des Anderen – ist uns allen klar, auch durch die Erziehung in unseren Bünden; Freundschaft gegenüber unseren Bundesbrüdern, unseren Mitmenschen, die guten Willens sind, gegenüber desgleichen; die Liebe zu unserer herrlichen Heimat, unserem Vaterland, sollte uns allen selbstverständlich sein und damit auch die Bereitschaft, für dieses Land und seine Staatsform, nämlich die Demokratie, mit allen Kräften einzustehen.
Unsere demokratische Staatsform – so nachzulesen im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland – legt ganz besonderes Gewicht auf die Werte, die unseren Lebensstil formen und für uns so bedeutsam machen. Ich greife mit Absicht hier den Begriff der „Freiheit“ heraus, der wohl mit allen Konsequenzen der wichtigste für unser Zusammenleben ist. Unter Freiheit verstehen wir hierbei Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, Religionsfreiheit, Versammlungsfreiheit, Schutz von Minderheiten und des Individuums und die Gleichberechtigung der Geschlechter; dies alles gehört zu unserem westlichen Lebensstil und ist bereits im ersten Satz des Grundgesetzes zusammengefasst: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Wir werden darauf zu sprechen kommen.
Das Wort „Freiheit“ steht ganz offensichtlich für einen der bedeutendsten Begriffe in der Geschichte der Menschheit; sie war über Jahrtausende hinweg eine der größten Triebfedern für Umwälzungen in Staatsgebieten, Grund für Kriege – eben die „Befreiungskriege“- und zu allen Zeiten ein Wert, für den sich der Einsatz des höchsten Gutes des Einzelnen, nämlich das Leben, lohnte. Die Geschichte der Menschheit ist voll davon; ein besonders großes Ereignis, bei dem der Wunsch nach Freiheit sich manifestierte, war sicher die deutsche Wiedervereinigung, bei der unter anderem auch das schändlichste Bauwerk deutscher Geschichte – die Mauer – abgerissen wurde, nach einer Dauer von 10 315 Tagen.
Freiheit in unserem Sinne heißt eben auch Glaubensfreiheit, und hier sei an ein Zitat von Friedrich dem Großen erinnert, der vor einem Vierteljahrtausend sagte:“ In meinem Staate kann jeder nach seiner Fasson selig werden!“ Das gilt natürlich auch für Menschen anderer als der christlichen Glaubensrichtung – allerdings nur dann, wenn darauf geachtet wird, dass die persönliche Freiheit an der Freiheit des Mitmenschen endet! Erinnert sei hier an ein Wort des CDU-Politikers Heiner Geissler: „Das beste Mittel gegen die Feinde des freien Denkens ist das freie Denken selbst! Freiheit – das heißt auch Freiheit in Verantwortung!“
Ein Bundespräsident in letzter Zeit – nämlich Joachim Gauck – hat sich zum Begriff der Freiheit oft in besonderer Weise geäußert. Gauck hatte ja schließlich in seinem Leben erfahren, was Unfreiheit bedeutet; er sprach von einem Vergnügen an der Freiheit, über das man staunen kann, wie über ein Geschenk. Wörtlich. „Ich will mir jene warme und tiefe Zuneigung zur Freiheit erhalten. Ich habe ihre tiefgreifende, zur Selbstverwirklichung befähigende Dimension selbst erfahren.“ Freiheit – so Gauck – ist mehr als nur Selbstverwirklichung. Es ist die Kraft, die uns dazu bringt, auch über uns selbst hinauszugehen, zu dieser Freiheit – ich wiederhole mich hier gern – gehört aber die Verantwortung für unser Gemeinwesen.
Aber: nach diesen Darlegungen über das Wesen der Freiheit müssen wir – und damit meine ich uns als Mitglieder studentischer Korporationen – uns die Frage stellen: welche Schlüsse ziehen wir daraus für die Arbeit in unseren Korporationen? Wie begeistern wir weiterhin junge Menschen für die Mitgliedschaft in unseren Bünden, dies in einer Zeit, in der dem einzelnen jungen Studenten durch die zunehmende Verschulung des Studiums immer mehr Beschneidung seiner freien Zeit zugemutet wird? Ein wichtiges Zeichen ist, dass infolge der fortschreitenden Einigung Europas und der damit einhergehenden Gesetze die Bodenfläche vergrößert wurde, auf der die Pflanze „Korporation“ gedeihen soll.
Das bedeutet jedoch keineswegs, unsere Identität aufzugeben; denn gerade unsere Grundwerte haben ja auch ihre Bedeutung nicht verloren. Wer seine Identität aufgibt, um sein Mäntelchen nach dem Wind eines vermeintlichen Zeitgeistes auszurichten, läuft Gefahr, seine Existenz zu riskieren! Wir müssen keine alten Zöpfe schonen, denn Tradition und Innovation schließen sich keineswegs aus!
Liebe Alte Herren! Seien wir Vorbilder für die jungen Aktiven, im beruflichen wie im privaten Leben, gesellschaftlich und politisch! Vorbilder sind das Fundament für unsere Jugend, Vorbilder braucht unser Land, mehr denn je! Wenn die Werte unseres Lebensstils bewahrt werden sollen gegen die Feinde der Demokratie, ist Zurückhaltung fehl am Platze; zeigen wir Courage, wo immer es nötig erscheint. Seien wir fortschrittlich in unserem Denken, aber hüten wir uns, unsere Identität aufzugeben, und arbeiten wir mit, die Zukunft unseres Landes zu gestalten. Eben diese Gestaltung der Zukunft unseres Landes war uns beim Coburger Kongress ein besonderes Anliege; dies dürfen wir heute zum 150. Male tun, und an dieser Stelle sei der Coburger Bevölkerung für ihre Gastfreundschaft in ganz besonderes herzliches Dankeschön gesagt!
Dafür werden wir kämpfen müssen, auch gegen unsere eigene Trägheit. Es erfordert unseren ganzen Einsatz, nicht nur Lippenbekenntnisse, unsere ganze Bereitschaft, im wahrsten Sinne des Wortes Farbe zu bekennen. Denken wir auch an das Dichterwort: „Das ist der Weisheit letzter Schluss. Nur der verdient sich Freiheit wie das Leben, der täglich sie erringen muß.“
Wenn uns das gelingt, werden unsere Bünde auch weiter existieren können. Wir dürfen nie aufhören, in jungen Menschen die Begeisterung für unser demokratisches Wesen zu wecken und die Bereitschaft, dafür einzustehen. was sicher des Schweißes der Edelsten bedarf, aber es wird sich lohnen.
Demokratie ist bekanntlich die schwerste aller Staatsformen – aber wir kennen keine bessere,
und dafür wollen und müssen wir kämpfen.
Ich bin sicher – wir werden das schaffen!
Dr. phil. Volker Thien
T! im CC Alemanno-Palatia zu Erlangen-Nürnberg, Akad.L! Tyrol Innsbruck